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Urteil Jugendwerkhof, Spezialkinderheim, Durchgangsheim, sachfremde Zwecke, Lebensbedingungen, Arbeitsleistungen, Bad Freienwalde, Knäckewerk Burg


Schlagworte

Jugendwerkhof, Spezialkinderheim, Durchgangsheim, sachfremde Zwecke, Lebensbedingungen, Arbeitsleistungen, Bad Freienwalde, Knäckewerk Burg

Leitsätze

1. Zu Einweisungen in Durchgangsheime (hier: Bad Freienwalde) und Jugendwerkhöfe (hier: „August Bebel“ Burg, Außenstelle Körbelitz) und zu Arbeitsleistungen von Jugendwerkhofinsassen (hier im VEB Burger Knäcke-Werke).

2. In einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung erfolgt die Unterbringung in einem Kinderheim zum Schutz und zur Sicherstellung der Entwicklungsmöglichkeiten des Minderjährigen, weil dieser infolge entweder ungünstiger Familienverhältnisse oder nach dem Versterben der Eltern und mangels zur Aufnahme bereiter Verwandter auf die Hilfe der staatlichen Gemeinschaft angewiesen ist. Auch nach dem Recht der DDR sollte die Anordnung der Heimerziehung allein erzieherischen Zwecken und dem Kindeswohl dienen. Ein sachfremder Zweck i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 2 StrRehaG ist deshalb dann anzunehmen, wenn mit der Einweisung Menschenrechte verletzt und das Kindeswohl gefährdet wurden.

3. Bei der Bestimmung des Maßstabes, ob ein sachfremder Zweck vorliegt, sind nicht allein die gesetzlichen Vorschriften, die der Einweisung zugrunde lagen, maßgeblich, sondern auch der damit verfolgte Zweck. Dabei sind auch die tatsächlichen Zustände zu berücksichtigen.

4. Die DDR hat mit den Spezialheimen und Jugendwerkhöfen ein System errichtet, das der Zerstörung der Persönlichkeit der Zöglinge und nicht dem Kindeswohl diente. Die Jugendbehörden reglementierten und drangsalierten Kinder und Jugendliche, die dem sozialistischen Persönlichkeitsbild und den politisch-ideologischen sowie gesellschaftlichen Wunschvorstellungen nicht entsprachen, unter Missachtung ihrer Individualität und ihrer Würde und erniedrigten sie auf diese Weise zu Objekten staatlicher Interessendurchsetzung.

5. Nach den vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen waren die in den Durchgangsheimen, Spezialkinderheimen und Jugendwerkhöfen herrschenden Zustände und Verfahren generell nicht geeignet, dem Kindeswohl zu dienen, sondern maßgeblich darauf ausgerichtet, die Persönlichkeit der Zöglinge zu brechen, um aus ihnen Persönlichkeiten nach den ideologischen Vorstellungen des SED-Regimes zu formen. Zu diesem Zwecke wurden schwere Menschenrechtsverletzungen planmäßig eingesetzt.

6. Die Kammer für Rehabilitierungsverfahren des LG Frankfurt (Oder) folgt hinsichtlich der grundsätzlichen Bewertung der Einweisung von Kindern und Jugendlichen in der DDR in Spezialkinderheime und Jugendwerkhöfe als auf sachfremden Gründen beruhend grundsätzlich der Rechtsprechung des OLG Naumburg (zuletzt ZOV 2017, 209). Nach Auffassung der Kammer kann aber von der Bewertung der Einweisung als auf sachfremden Gründen beruhend im Einzelfall dann abgewichen werden, wenn bezüglich einer Einrichtung aufgrund der festgestellten Umstände der Unterbringung tatsächlich keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass in dieser Einrichtung die Zerstörung der Persönlichkeit und Missachtung der Individualität der Zöglinge bezweckt waren.

7. Auch Einweisungen in Durchgangsheime sind grundsätzlich als sachfremden Zwecken dienend anzusehen.

8. Unerheblich für die Bewertung von Einweisungen in Spezialkinderheime, Jugendwerkhöfe und Durchgangsheime als auf sachfremden Gründen beruhend ist es, dass Gründe der Fürsorge und des Kindeswohls mitursächlich für Einweisungen waren.

(Leitsätze der Redaktion)

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