Urteil Achtungsanspruch Verstorbener reicht nicht weiter als der Ehrschutz Lebender
Schlagworte
Achtungsanspruch Verstorbener reicht nicht weiter als der Ehrschutz Lebender
Leitsätze
1a. Wird von dem Grundrecht der Meinungsfreiheit nicht zum Zwecke privater Auseinandersetzung Gebrauch gemacht, sondern will der Äußernde in erster Linie zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen (hier: durch Kritik am Umgang mit der DDR-Vergangenheit), dann sind die Auswirkungen seiner Äußerungen auf den Rechtskreis Dritter zwar unvermeidliche Folge, aber nicht eigentliches Ziel der Äußerung. Der Schutz des betroffenen Rechtsguts tritt umso mehr zurück, je weniger es sich um eine unmittelbar gegen dieses Rechtsgut gerichtete Äußerung im privaten Bereich in Verfolgung eigennütziger Ziele handelt, sondern um einen Beitrag zu einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage (vgl. BVerfG, 22.6.1982, 1 BvR 1376/79, BVerfGE 61, 1 [11]). (Rn. 18)
1b. Bei Äußerungsdelikten kann eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts auch dadurch begründet sein, dass der Sinn der Äußerung nicht zutreffend erfasst worden ist (vgl. BVerfG, 13.2.1996, 1 BvR 262/91, BVerfGE 94, 1 [9]). (Rn. 19)
1c. Zum Schutze Verstorbener vor Herabwürdigung siehe bereits BVerfG, 24.2.1971, 1 BvR 435/68, BVerfGE 30, 173 (196). Unabhängig von der Frage, wie weit der Achtungsanspruch Verstorbener im Einzelfall geht, reicht er jedenfalls nicht weiter als der Ehrschutz lebender Personen. (Rn. 20)
2a. Vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ist auch eine Meinungsäußerung wie die verfahrensgegenständliche umfasst, mit der Handlungen einer namentlich benannten Person, die im Jahr 1952 vom obersten Gericht der DDR u. a. wegen „Boykotthetze“ zum Tode verurteilt, nachfolgend hingerichtet und 2005 posthum rehabilitiert worden war, als Straftaten bezeichnet werden und insofern ein legitimes Strafverfolgungsinteresse der DDR postuliert wird. (Rn. 24)
2b. Der Beschwerdeführer ist in Anerkennung seiner Meinungsfreiheit weder verpflichtet, die Richtigkeit der den Verstorbenen betreffenden Rehabilitierungsmaßnahme anzuerkennen, noch dazu, dessen Handlungen unter dem Gesichtspunkt zu würdigen, dass in ihnen ein Beitrag zum Widerstand gegen die DDR-Diktatur lag. (Rn. 24)
2c. Bei der Beurteilung des Gewichts der Ehrbeeinträchtigung des Verstorbenen ist die auf den Umgang mit der DDR-Vergangenheit zielende Kritik maßgeblich in Rechnung zu stellen. Dabei zielt der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf den Schutz eines fortwirkenden Geltungsanspruchs der Person, nicht aber auf eine ausgewogene politische Bewertung historischer Handlungen als solcher. (Rn. 25)
3. Festsetzung des Gegenstandswertes auf 25.000 €.
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